MEINE ERSTE KLAPPMAULFIGUR
von Niccel Steinberger
Fast ein Jahr lang hatte ich mich auf das Klappmaulfiguren-Seminar von Norman Schneider gefreut. Alle Arbeitsutensilien waren besorgt. Stoffe, Glasaugen, Schaumstoff, Karton und Unmengen von Pattex. Auch einen Entwurf hatte ich gemacht für die Figur, die ich gern bauen würde. Ein Baby. Aber bald kamen Zweifel in mir auf. So viele Male hatte ich Normans wunderbare Figuren im Internet schon bestaunt.
Ich hatte sogar meinem Mann, dem Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger, zu seinem letzten Geburtstag eine von Norman gebaute Emil-Figur geschenkt. Aber wie konnte ich mir nur einbilden, dass es mir gelingen könnte, in nur zweieinhalb Tagen eine Figur zu bauen, die nur annähernd so schön ist wie die Figuren des grossen Meisters Norman?
Ein paar Tage vor Kursbeginn bekam ich regelrechtes Lampenfieber. Ein Glück, hatte ich meine Mutter eingeladen, das Seminar mit mir zu besuchen. So hatte ich auf der Reise nach Warmsen, zum Hof Lebherz, etwas Ablenkung. Wir kamen an und betraten einen schönen grossen Raum, in dem alle Tische für die 10 TeilnehmerInnen des Kurses in U-Form aufgestellt waren. Meine Aufmerksamkeit galt aber sofort den fünf Figuren von Norman, die er als „Anschauungsmaterial“ auf einem Tisch arrangiert hatte. Ich kannte sie bisher nur in digitaler Form aus dem Internet. Und jetzt waren sie zum Anfassen nah und eine schöner als die andere! Norman forderte uns gleich auf, sie auszuprobieren.
Unglaublich! Er hatte gar keine Angst, dass wir sie kaputt machen könnten. Nachem alle Teilnehmer eingetroffen waren, stellten wir uns gegenseitig vor und erzählten, welche Figuren wir bauen wollten. Jeder hatte eine andere Figur im Kopf. Das gefiel mir. Enthusiastisch machten wir uns an die Arbeit. Schritt für Schritt geleitete uns Norman durch die verschiedenen Stadien, die es braucht, um so eine Figur professionell herzustellen. Der erste Tag war vor allem der Formung des Kopfes aus Schaumstoff gewidmet. Je mehr wir arbeiteten, desto weniger glaubte ich an mein Können.
Gleichzeitig stieg mein Respekt vor Norman ins Unermessliche. Als ich bemerkte, dass ich eine der Langsamsten war, verliess mich fast vollends der Mut. Andere hatten aus ihrem Schaumstoff
schon richtige Charakterköpfe geformt und vor mir lag immer noch eine Schaumstoffkugel, die mir irgendwie seltsam vorkam und mich nicht im Entferntesten an ein Baby erinnerte.
Wir arbeiteten bis spät in die Nacht. Ziemlich erschöpft ging ich zu Bett und es folgte eine Nacht mit Albträumen, in denen ich durch eine Stadt voller abgeschlagener Köpfe lief und mich vor Terroristen fürchten musste. Kamen diese Träume, weil ich so viele Figurenköpfe gesehen hatte oder waren das die Folgen des inhalierten Pattex? Am nächsten Tag ging es konzentriert und mit etwas weniger Pattex weiter. Ich hatte mir vorgenommen, nicht mehr nach links und rechts zu gucken und nur noch meinem eigenen gestalterischen Rhythmus zu folgen. Das klappte wunderbar. Wir überzogen die Köpfe mit Stoff … und siehe da, plötzlich hatte auch ich einen fast lebendigen Kopf vor mir, der sich danach sehnte, vollendet zu werden.
Norman strahlte während des ganzen Kurses trotz des Zeitdrucks eine angenehme Ruhe aus. Er hatte überhaupt nichts Lehrerhaftes an sich, was sehr wohltuend war. Wenn man ihn brauchte, war er da und half mit geübten Fingern und guten Ratschlägen. Er bohrte mit professioneller Sicherheit Löcher für die Augen in unsere Plastikostereier. Er klebte diffizile Stellen. Er nähte gekonnt mit der Nähmaschine, wo wir fürchteten, die Nadel könnte brechen. Und natürlich schnitzte er immer wieder mit einer fast unverschämten Leichtigkeit die Schaumstoffe noch runder, wenn uns vom vielen Schnippeln schon die Finger schmerzten. Die Figuren entwickelten sich in rasantem Tempo weiter und die Gesichter ihrer Gestalter strahlten immer mehr. Keiner wollte abends aufhören zu arbeiten. Gegen Mitternacht hatten wir schon begonnen, die Hände und Finger zu gestalten. Die folgende Nacht war kurz. Am dritten und letzten Tag waren alle richtig „angefressen“ von der Arbeit an den Figuren. Ich verzichtete sogar auf das Mittagessen, um noch möglichst viel bauen zu können. Das Figurenbauerfieber hatte uns alle gepackt. Schon begannen die ersten Figuren Laute von sich zu geben. Vor allem Chantal, die Süsse unseres einzigen männlichen Kursteilnehmers, trällerte immer wieder ein verzücktes „Laaa-ha-ha-haaa!“. Wir freuten uns und lachten viel miteinander in diesen drei Tagen, auch wenn wir es verschmerzen mussten, dass unsere kleinen Lieblinge am Kursende noch nicht ganz fertig waren. Das war uns aber im Vorfeld angekündigt worden. Und tatsächlich sass auch vor mir auf dem Tisch am Schluss ein kleiner Oskarli, dem zwar die Finger und Beine noch angenäht und dessen Gesicht noch bemalt werden musste, der aber vor allem darauf wartete, dass ich ihm jetzt auch Leben einhauche. Der wird sich noch umschauen, wenn er mich dann einmal zu meinen Lachseminaren begleitet und die Teilnehmer mit ihm zu schäkern beginnen! Ich hätte nie gedacht, dass es mir möglich sein würde, auf Anhieb so eine professionelle und meinen Anfängeransprüchen genügende Figur zu bauen. Natürlich trennen meine Figur und die von Norman noch Welten. Das soll auch so bleiben. Norman hat uns in kürzester Zeit gezeigt, worauf es beim Bau so einer Figur wirklich ankommt, und das auf eine Art und Weise, die sehr angenehm und sympathisch war. Für mich war dieser Kurs eines der grossen Highlights dieses Jahres. Vor 25 Jahren wollte ich Puppenbauerin und -spielerin werden. Dank Norman konnte ich nun für drei Tage voll in die Welt der Figurenbauer abtauchen. Das hat Spass gemacht und mir gezeigt, dass mein damaliger Wunsch ein guter Entscheid gewesen wäre. Mein Respekt vor der Arbeit der Puppenbauer und -spieler ist noch mehr gestiegen. Ich kann nur sagen „DANKE Norman! Es ist grossartig, dass Du Dir immer wieder Zeit nimmst, Dein Wissen und Können weiter zu geben.“
Niccel Steinberger
Autorin, Lachtrainerin
http://www.niccel.ch/
http://www.hund-auf-jobsuche.ch/
Montreux, Dezember
Sonntag, 5. Dezember 2010
Eingestellt von Norman Schneider um 18:17
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